Testbericht.
Alfa Romeo Giulia Veloce 2.2 CRDI Q4
Bella macchina!
Von Petra Grünendahl
Einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurde Alfa Romeos neue* Giulia im Herbst 2015 in Frankfurt auf der IAA. Die sportliche Mittelklasse-Limousine ist eine komplette Neuentwicklung: Sie schließt die Lücke, die der 2011 ausgelaufene Alfa Romeo 159 hinterlassen hat. Seit 2016 ist sie auf dem Markt, zum aktuellen Modelljahr ist mit einem 210 PS starken Selbstzünder eine zusätzliche Motorvariante hinzu gekommen, der die Dieselpalette nach oben abrundet. Produziert wird Alfa Romeos Giulia im Fiat-Werk in mittelitalienischen Piedimonte San Germano.
Fahrzeug und Ausstattung
Guten Zugang zu beiden Sitzreihen der 4,64 Meter langen bieten vier Türen. Die Übersicht geht nach vorne in Ordnung, ist aber nach hinten nicht so berauschend. Die Einparkhilfe vorne (optional) und hinten (Serie ab Super) mit Rückfahrkamera hinten (optional) ist da schon eine große Hilfe. Der lange Radstand von oberklasseverdächtigen 2,82 Metern bei doch recht kompakten Außenmaßen sorgt nicht nur für kurze Überhänge vorne und hinten, sondern auch für viel Platz im Innenraum: Das Platzangebot ist in beiden Sitzreihen großzügig bemessen. Sportsitze vorne bieten exzellenten Seitenhalt. Auch die Außenplätze hinten sind gut konturiert, auf dem Mittelplatz hinten sitzt man dafür allerdings etwas aufgebockt. Zudem kann der Knieraum im Fond etwas knapper werden, wenn vorne langbeinige Menschen Platz nehmen, die den Vordersitz recht weit nach hinten rücken. Der 480 Liter große Kofferraum kann durch das Umlegen der zweifach geteilten Rückbank (Serie ab Veloce) flexibel um eine Durchlade-Möglichkeit bis hinter die Vordersitze erweitert werden. Optionale Verzurrösen erleichtern das Sichern der Ladung im Gepäckabteil.
Der Innenraum ist hochwertig in der Anmutung, von guter Materialqualität und tadellos verarbeitet. Aluminium-Dekorleisten und Alu-Pedalerie verraten die Veolce-Ausstattung, Eichenholz grau setzt optional passende Akzente zum Tobacco-farbenen Leder. Das Cockpit ist um den Fahrer herum gebaut. Das Armaturenbrett ist übersichtlich gestaltet, Anzeigen und Schalter gut einseh- und erreichbar. Über eine HMI-Schnittstelle auf dem Mitteltunnel können zentrale Funktionen bedient werden. Auch die Lenkradbedienung bietet gut erreichbaren Zugang zu Steuerung beispielsweise von Audiosystem, Fernsprecheinrichtung und Tempomat, ohne sich in einem Schalter-Wirrwarr zu verlieren.
Vier Ausstattungsvarianten sind für die Giulia verfügbar, die allerdings zumeist bestimmten Motorisierungen vorbehalten sind. Die Basisvariante (ausschließlich für Dieselmotoren) umfasst dabei serienmäßig eine funkfernbediente Zentralverriegelung, elektrisch einstell- und beheizbare Außenspiegel, elektrische Fensterheber rundum, Lenkrad mit Motorstartknopf und Multifunktionstasten, Fahrerinformationssystem, Zwei-Zonen-Klimaautomatik, eine Geschwindigkeitsregelung, Licht- und Regensensor, Radio (mit 6,5-Zoll-Farbbildschirm, USB/AUX, Bluetooth-Freisprecheinrichtung, Sprachsteuerung) sowie 16-Zoll-Leichtmetallräder. Ab der Super-Ausstattung sind zusätzlich ein Fahrzeuginformationssystem mit 7-Zoll-Display, Parksensoren hinten, ein verchromtes Doppelendrohr, ein Handschuhfach mit Kühlmöglichkeit sowie 17-Zoll-Leichtmetallfelgen mit an Bord. Unsere Veloce-Variante schließlich ist als untere sportliche Ausstattung den etwas stärkeren Motoren (210 und 280 PS) vorbehalten, die auch ausschließlich in dieser Variante lieferbar sind. Sie enthält serienmäßig unter anderem den Allradantrieb Q4, ein 8-Stufen-Automatikgetriebe, Bi-Xenon-Scheinwerfer, Leder-Sportsitze, elektrisch einstellbare Sportsitze mit Sitzheizung vorne, ein beheizbares Sport-Lenkrad, Sportpedale und Fußstütze aus Aluminium, beheizbare Scheibenwaschdüsen und Sportstoßfänger im Veloce-Design mit Diffusor hinten sowie 18-Zoll-Leichtmetallräder. Die Außenspiegel sind elektrisch anklappbar. Darüber rangiert noch die Quadrifoglio-Ausstattung, die ausschließlich für den 510 PS starken Sechszylinder-Bi-Turbo-Motor zur Verfügung steht und die Sportlichkeit der Limousine noch ein bisschen mehr auf die Spitze treibt.Aufpreis kosten Features wie das Komfort-Paket (mit schlüssellosem Zugang Keyless Go, beleuchtetem Spiegel in der Fahrersonnenblende, Türgriffbeleuchtung außen und einem zusätzlichen Ablagefach im Armaturenbrett), das Assistenz-Paket (mit Fernlichtassistent AHB, Totwinkel-Assistent mit Bewegungserkennung hinten, Rückfahrkamera mit dynamischen Führungslinien sowie automatisch abblendenden Innen- und Außenspiegeln), das Lusso-Paket (u. a. mit Dekorleisten Eichenholz grau, Lederbezug an Armaturenbrett und Türverkleidungen, 8-fach elektrisch verstellbaren Vordersitzen mit Memory-Funktion auf der Fahrerseite), die Geschwindigkeitsregelung Adaptive Cruise Control, Parksensoren vorne, das Audio-System mit digitalem Radioempfang (DAB) und integriertem 3D-Navigationssystem sowie eine Diebstahlwarnanlage mit Innenraumüberwachung.
Motor und Antrieb
Die CRDI-Motoren (Common-Rail-Diesel-Direkteinspritzer) tragen im Fiat-Konzern (FCA Fiat Chrysler Automobiles) die Bezeichnung „MultiJet“. Seiner Giulia hat FCA eine ganze Bandbreite dieser 2,2-Liter-Selbstzünder spendiert: Von 136 PS bis hoch zu 210 PS reicht die Leistungspalette. Ottomotoren mit 2 bzw. 2,9 Litern Hubraum in drei Leistungsstufen zwischen 200 und 510 PS runden die Motorenpalette ab. Wir fuhren die Giulia mit einem 210 PS starken Diesel-Aggregat, welches mit der nur knapp 1,6 Tonnen schweren Karosserie leichtes Spiel hat. Der Motor hängt gut am Gas und läuft warmgelaufen ruhig, kultiviert und rund. Sportlich im Antritt, ordentlich im Durchzug bietet er eine souveräne Leistungsentfaltung über das ganze relevante Drehzahlband. Sein Drehmomentmaximum von 450 Newtonmetern liegt schon bei 1.750 U/min. an.
Das Achtstufen-Automatikgetriebe ist mit seiner knackig kurzen Getriebeübersetzung in den unteren Gängen für flotten Antritt und der langen Übersetzung in den höheren für maximale Kraftstoff-Ökonomie hervorragend abgestimmt. Schaltvorgänge nimmt man nur beim kräftigen Tritt aufs Gaspedal (also beim Runterschalten) wirklich wahr. Ein Start-Stop-System schaltet beim Anhalten (mit Fuß auf dem Bremspedal) den Motor aus, was die Kraftstoff-Effizienz erhöht. Für die Beschleunigung aus dem Stand auf Tempo 100 reichen der Giulia mit dem Top-Dieselaggregat 6,8 Sekunden, bei 235 km/h erreicht sie ihre Höchstgeschwindigkeit. Trotz aller Sportlichkeit liegt der Verbrauch bei 5,8 Litern Dieselkraftstoff je 100 Kilometer im Stadtverkehr, 4 Liter außerorts und 4,7 Liter im gemischten Verbrauch nach EU-Norm (alles Herstellerangaben, ermittelt unter Idealbedingungen auf dem Rollenprüfstand). Der Motor erfüllt die Abgasnorm Euro 6, der CO2-Ausstoß beträgt 122 g pro km. In der Relation von Größe/Gewicht zum Verbrauch reicht das für die Effizienzklasse A.
Fahrwerk, Handling und Sicherheit
Die Alfa Romeo Giulia wird ab der Basisvariante über die Hinterräder angetrieben. Die Veloce-Ausstattung hingegen kommt mit dem Allradantrieb Alfa Q4 und Verteilergetriebe (ATC). Der lange Radstand von 2,82 Meter in Verbindung mit der hohen Verwindungssteifigkeit der Leichtbau-Karosserie und der Gewichtsverteilung von 50:50 auf beide Achsen mit der Platzierung schwerer Bauteile zwischen den Achsen sorgt für eine einzigartige Straßenlage mit sehr gutem Geradeauslauf. Die elektrische Servolenkung ist sehr (!) direkt ausgelegt. Präzise folgt die Giulia den Anweisungen des Fahrers, was jede Menge Fahrspaß bedeutet. Auf flotter Fahrt durch kurvige Serpentinen zeigt die Giulia ihre Klasse: Dynamisch und sicher liegt sie in der Spur. Tendenzen zu Lastwechselreaktionen zeigt sie keine. Plötzliche Ausweichmanöver absolviert sie ebenso souverän wie sie in die alte Spur zurückzieht. Der zügig gefahrene Slalom besticht ebenso mit sauberer Linienführung wie flott angegangene Kurven. Dabei rollt das Fahrwerk sportlich ab, ohne es jedoch an einem ausgewogenen Fahrkomfort mangeln zu lassen. Wem die „normale“ Fahrdynamik – und die ist schon alltagstauglich sportlich – nicht ausreicht, kann über die exklusive, für die Giulia neu abgestimmte Fahrdynamikregelung D.N.A. (Dynamic / Natural / Advanced Efficiency) Zugriff auf die Steuerung von Motor, Getriebe, Lenkung und Fahrwerk nehmen, um sie auf seinen individuellen Geschmack abzustimmen. Optional verfügbar wäre außerdem die Alfa Active Suspension, ein aktives Fahrwerk mit elektronischer Stoßdämpferregelung, die die Feder-Dämpfer-Kennlinie abhängig vom gewählten D.N.A.-Fahrmodus an die Fahrbedingungen anpasst.
Das Basismodell steht auf 16-Zoll-Rädern mit 225/55er Reifen. Die Veloce-Ausstattung ist da etwas breiter aufgestellt: Auf die 18-Zöller sind Reifen im Format 225/45 vorne und 255/40 hinten aufgezogen. Die Bremsanlage mit groß dimensionierten innenbelüfteten Scheibenbremsen rundum verzögert fix, sicher und spurtreu. Eine elektromechanische Parkbremse ist serienmäßig ab der Basisausstattung an Bord.
Die trotz Leichtbau hochstabile Karosseriestruktur bietet den Insassen im Falle eines Unfalles großes Schutzpotenzial. Im Innenraum flankieren höhenverstellbare Kopfstützen und Drei-Punkt-Sicherheitsgurte, Front- und Seitenairbags vorne, Fensterairbags für vorne und hinten, Sicherheitslenksäule und –pedalerie sowie zwei Isofix-Kindersitzvorrüstungen auf der Rückbank den Insassenschutz. Im EuroNCAP erreichte die Giulia im Jahr 2016 fünf Sterne für ihre Sicherheit. Das Bewertungssystem berücksichtigt neben Insassen- und Kindersicherheit sowie Fußgängerschutz auch die serienmäßige Sicherheitsausstattung des Fahrzeugs mit Fahrassistenzsystemen. Dazu zählt das Integrierte Bremssystem (IBS) mit elektro-mechanisch gesteuertem Bremssystem, ABS mit Elektronischer Bremskraftverteilung EBD, Bremsassistent EBA und Regen-Bremsassistent RBA, Traktionskontrolle ASR, Berganfahrhilfe HSA, Elektrische Stabilitätskontrolle ESC (heißt woanders ESP) und Anhänger-Stabilitätskontrolle TSA, Aktive Gierregelung AYC, Kurvenbremskontrolle ESBS und Motorschleppmomentregelung EDC sowie Features wie ein Spurhalteassistent (Lane Departuer Warning LDW) und ein Totwinkel-Assistent (Blind Spot Monitoring BSM) mit Bewegungserkennung hinten (Rear Cross-Path Detection). Im Laufe der Jahre seit Einführung der aktuellen Regelung hat sich allerdings die Messlatte zum Erreichen der Höchstwertung immer wieder erhöht: So gelten seit 2016 höhere Anforderungen im Bereich Aufprallschutz und ergänzende Anforderungen bei der umfassenden Ausstattung mit praxisgerechter Unfallvermeidungstechnologie. Die hier für eine Top-Wertung wichtigen Fahrassistenz-Systeme sind ebenfalls vollständig ab der Basisversion serienmäßig an Bord: Der Abstandstempomat mit Kollisionswarner FCW, autonomer Notbremsfunktion AEB, Fußgängererkennung und aktivem Bremseingriff. Serienmäßig gibt es das Reifendruckkontrollsystem TPMS, ein Reifen-Reparatur-Set und – in der Veloce-Ausstattung – Reifen mit Notlaufeigenschaften. Aufpreis kostet eine Diebstahlwarnanlage mit Innenraumüberwachung.
Kosten und Wirtschaftlichkeit
Ab 33.100 Euro steht die Giulia in den Preislisten der Händler, in der Basisausstattung mit 2,2-Liter-MultiJet-Dieselmotor und 136 PS. Die Super-Ausstattung für Dieselvarianten zwischen 150 und 180 PS sowie den 200 PS starken Zweiliter-Turbobenziner ist ab 35.900 Euro zu haben. Die 210 PS starke Dieselvariante sowie einen Zweiliter-Turbobenziner mit 280 PS gibt es in der Veloce-Ausstattung für 46.800 bzw. 47.800 Euro. Der gemeinsam mit Ferrari entwickelte 2,9-Liter-Bi-Turbo mit 510 PS ist der Quadrifoglio-Ausstattung zu Preisen ab 71.800 Euro vorbehalten. Aufpreis kosten alle Lackierungen jenseits von Rosso Alfa, egal ob Uni-, Metallic- oder Mehrschicht-Lackierungen.
Die FCA-Gruppe gibt zwei Jahre Neuwagen-Garantie plus zwei Jahre Anschussgarantie auf die Giulia (inklusive europaweiter Mobilitätsgarantie); dazu kommen drei Jahre auf den Lack sowie acht Jahre auf die Karosserie gegen Durchrostung. Inspektion und Ölwechsel werden bei den Dieselmotoren alle 20.000 Kilometer fällig (Ottomotoren 15.000 Kilometer) oder einmal im Jahr. Die Versicherungen stufen das Modell in die Typklassen 20 / 26 / 24 (KH / VK / TK) ein.
*) ein historischer Vorläufer gleichen Namens wurde zwischen 1962 und 1978 gebaut
© August 2017 Petra Grünendahl, Auto-Redaktion ISSN 2198-5014 Impressum
Fotos: Petra Grünendahl
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