Testbericht.
Lancia Lybra 1.8 LX
Schicker und dynamischer Italiener
Von Petra Grünendahl
Der Lancia Lybra ist nicht nur von außen ein, Hingucker. Mit hochwertigem und ansprechend gestaltetem Interieur lädt er zum Einsteigen und Losfahren. Dezent säuselt der Motor nach dem Anlassen, nach dem Tritt aufs Gas setzt sich das Fahrzeug schwungvoll in Bewegung.
Die Mittelklasse der italienischen Premiummarke Lancia offenbart schon auf den ersten Blicken seine Klasse: ein unverwechselbares Design, welches sich aus der Masse der Autos deutlich abhebt, ein wohnlich-eleganter Innenraum, reichlich Platz und Komfort für die Passagiere und ein Vierzylinder-Triebwerk, welches nur selten seinesgleichen findet.
Mit dem Dedra-Nachfolger Lybra, der seit Herbst 1999 sowohl als Limousine wie auch als Kombi (Station Wagon) zu haben ist, will Lancia als Premium-Anbieter an Profil zurückgewinnen. Optisch hat der ausdrucksvoll gestylte Newcomer keine Ähnlichkeit mit dem eher langweiligen Vorgänger Dedra. Anleihen machten die Turiner Designer schon eher beim Klassiker Lancia Aurelia aus den Fünfziger Jahren. Dennoch ist es kein schlichtes Retro-Design. Die rundlichen Formen ziehen die Blicke auf sich. Wir erfuhren in einem Lybra 1.8 in der Exklusiv-Ausstattung LX und Azzurro Laura Metallic-Lackierung, ob es den Italienern gelungen ist, ihren Anspruch aufs Premium-Segment zu behaupten.
Großzügig ist das Platzangebot vorne wie hinten. Edel ist die Anmutung des Innenraumes mit Alcantara-Sitzbezügen und –Innenverkleidungen, Lederlenkrad mit Audiofernbedienung und Lederschaltknauf sowie Holzdekor- und hellen Metalldekorblenden. Die Materialien wirken hochwertig, sind stimmig und gut verarbeitet. Vom Vorgänger unterscheiden den Lybra in punkto Qualität und Anmutungen schlichtweg Welten.
Die Sitze sind angenehm straff, bieten aber vor allem auf schnellen Kurvenfahrten recht wenig Seitenhalt. Die Rückbank verfügt über drei Drei-Punkt-Gurte und drei Kopfstützen, die mittlere ist versenkbar und damit nicht im Sichtfeld, wenn man sie nicht braucht. Links und rechts sitzt man sogar sehr komfortabel, der mittlere Sitzplatz ist besser für die Mittelkonsole zu gebrauchen, denn zum wirklich angenehmen Sitzen.
Der Kofferraum ist zwar nur über eine hohe (70 cm) Ladekante zu erreichen, bietet dafür aber ordentlich nutzbare 420 Liter Laderaumvolumen und 520 kg maximale Zuladung. Bei 4,47 m Karosserielänge ist das kein Bestwert, aber noch ganz anständig.
Das Cockpit ist klar und übersichtlich gestaltet. Alle Anzeigen sind gut einzusehen, die Schalter blind zu bedienen. Tadellose Verarbeitung rundet das anspruchsvoll gestaltete Interieur ab. Die beleuchtete Innenspiegel in den Sonnenblenden von Fahrer und Beifahrer sind Standard.
In der Basis-Ausstattung ist bereits alles drin, was das Auto fahren angenehmer macht. Selbst Bordcomputer und integriertes Kontroll-System ICS, automatische Leuchtweitenregulierung für die Scheinwerfer sowie das Cassetten-Radio mit Lautsprechern sind ab Basis Serie, ab der LX-Ausstattung verfügt die Hifi-Anlage sogar über ein hochwertiges Bose-Sound-Lautsprechersystem mit sieben Lautsprechern. In der LX-Ausstattung ist auch die Dual-Zonen-Klimaautomatik mit getrennter Regelung für Fahrer und Beifahrer (Dual-Zonen-Heizung ab Basis) enthalten. Ebenfalls mit der LX-Version bekommt das Auto elektrische Fensterheber hinten, Nebelscheinwerfer und 15-Zoll-Leichtmetallräder.
Die Karosserie ist dank der rundlich ausgestellten Kotflügel vorne, die dem Fahrer die Abmessungen seines Autos vor Augen führen, sehr übersichtlich. Hinten ist es dann beim Einparken schon mehr eine Sache des Gefühls. Da würde dann der in der Lineaccessori-Zusatzausstattung erhältliche Park-Assistent für vorne und hinten gute Dienste leisten.
Höchste Laufkultur und gehörigen Biss verspricht der 1,8-Liter-Motor mit 131 PS. Ruhig und vibrationsarm läuft er dank zweier Ausgleichswellen, er hängt gut am Gas, dreht freudig hoch und ist an Leistungsentfaltung die ideale Motorisierung für die fast 1,4 t schwere Limousine. Die knackig kurze Getriebeübersetzung ist alles andere als auf Sparsamkeit ausgelegt, was in Verbindung mit dem agilen Fahrwerk für eine gehörige Portion Fahrspaß gut ist. An Durchzug mangelt es auch in unteren Drehzahlregionen kaum. Das Fünfgang-Schaltgetriebe erfreut mit präzisen, kurzen Schaltwegen. Die Bremsen (groß dimensionierte Scheibenbremsen rundum, vorne innenbelüftet) sprechen schnell an, verzögern prompt und gut dosierbar.
Der Fronttriebler braucht für die Beschleunigung von Null auf Tempo 100 10,3 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 201 km. Im Stadtverkehr ist er recht durstig (12,0 Liter Superbenzin je 100 km), insgesamt begnügt er sich doch mit 8,4 Litern auf 100 km im gemischten Verbrauch nach EU-Norm, bei Überlandfahrten sind es nur 6,4 Liter (alles Herstellerangaben). Der Motor erfüllt allerdings nur die Abgasnorm Euro 3.
Die Lenkung arbeitet spontan und direkt, folgt begierig den Vorgaben des Fahrers. Frei von Eigenlenkeinflüssen bleibt das Fahrzeug über einen großen Grenzbereich absolut neutral, neigt praktisch gar nicht zum frontantriebstypischen Untersteuern, was das Fahrverhalten noch berechenbarer macht. Da werden Erinnerungen an den Vorgänger Dedra und vor allem an die Steilheckversion Delta wach.
Leichtfüßig wechselt er bei plötzlichen Ausweichmanövern den Kurs und lässt sich ebenso problemlos wieder in die ursprüngliche Spur dirigieren. Optimaler Fahrbahnkontakt lässt den Fahrer über Untergrund und Fahrbahnbeschaffenheit nicht im Unklaren. Die herrlich direkte Lenkung verlangt förmlich nach kurvenreichen Strecken, die das Fahrwerk absolut souverän meistert. Sportlich-dynamisches Vorankommen garantiert das aufwändige Fahrwerk mit unkonventioneller McPherson-Radaufhängung vorne sowie einer neuentwickelten Mehrlenkerkonstruktion hinten mit Einzelradaufhängung an geführten Längslenkern.
Komfortabel rollt der Lybra auch über schlechte Straßen, besitzt aber eine ausreichend straffe Federung, mit der er auch kritischen Fahrmanöver problemlos bewältigt. Grobe Wellen quittiert er mit ganz leichtem Nicken, kleine Unebenheiten bügelt er klaglos glatt. Der Lybra ist der fahrende Beweis, dass sportlich-agiles Handling keine Abstriche an den Komfort machen muss.
Die serienmäßige Sicherheit umfasst eine hochfeste Fahrgastzelle, Seitenaufprallschutz in den Türen, Kopfstützen und Drei-Punkt-Gurte auf allen Sitzen, vier Airbags für die Frontpassagiere, Anti-Submarining-Kissen auf allen Sitzen und das Fire Prevention System. ABS mit elektronische Bremskraftverteilung ist ebenfalls Serie. Eine Antriebsschlupfregelung ist nur für den 2-Liter-LX-Lybra zu haben.
Die Limousine ist mit Basis-Ausstattung und –motorisierung ab 36.700 Mark zu haben, mit dem 1,8-Liter-Motor und Exklusiv-Ausstattung LX schlägt er mit 43.800 Mark zu Buche. Aufpreis kosten auch bei der LX-Ausstattung die Metallic-Lackierung (990 Mark), die Sitzheizung vorne (510 Mark) sowie die asymmetrisch geteilte Rücksitzbank mit Mittelarmlehne (470 Mark). Ein elektrisches Glasschiebedach ist für 1.450 Mark zu haben.
Bei den Garantien sind die Italiener noch etwas zurückhaltender: Sie geben das übliche eine Jahr auf den Wagen sowie ein Jahr Mobilitätsgarantie, drei Jahre auf den Lack und acht Jahre auf die Karosserie gegen Durchrostung. Allerdings können gegen Aufpreis Garantiepakete für einen Zeitraum bis zu vier Jahren, eine verlängerte Mobilitätsgarantie sowie eine auf bis zu drei Jahre erweiterte Neuwagen-Garantie erworben werden. Die Versicherungseinstufungen liegen bei 18 / 20 / 30 (KH / VK / TK), Inspektion und Ölwechsel sind alle 20.000 km oder nach 18 Monaten fällig.
Mit dem Lybra hat Lancia eine Modellreihe auf den Markt gebracht, die den Premium-Ansprüchen der Marke Auftrieb gibt. Und das alles insgesamt zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis.
© März 2001 Petra Grünendahl, Fotos: grü / IN*TEAM