Testbericht.
BMW 735i
Solide Festung mit der Agilität eines Kleinwagens
Von Petra Grünendahl
Mutig ist BMWs neue Designlinie bei seiner Oberklasse-Baureihe: Massiv und wuchtig wie eine Festung wirkt der neue 7er, wo der alte mit zeitlos eleganten Linien glänzte. Im September 2001 auf der IAA vorgestellt, erhitzt er seitdem die Gemüter. Der kleinere der beiden bisher verfügbaren Ottomotoren, ein 735i mit 3,6-Liter-Achtzylinder-Motor und 272 PS in der Lackierung Toledoblau metallic stand uns zum Testen zur Verfügung.
Der neue 7er ist vierte Generation der Münchener Oberklasse und trägt die Baureihenbezeichnung E65. Eines ist klar: BMW traut sich was, angesichts einer eher konservativen Klientel für ein Oberklassefahrzeug, denn mit dem neuen 7er muss sich der Fahrer auf Neues und Unkonventionelles einlassen, um die bewährten Qualitäten eines Oberklasse-BMW zu entdecken.
Größer geworden ist der neue 7er: fünf cm länger, 4 cm breiter und fast 6 cm höher. Mit 5,03 m Länge und 1,90 m Breite hat er jetzt wahre Gardemaße. Fast 3 m Radstand (plus 6 cm) und 1,60 m Spurbreite runden die neuen Maße ab. Das spürt man auch im Innenraum. Die Platzverhältnisse kann man vorne wie hinten nur als üppig bezeichnen. Die Sitze sind mit flanellgrauem Leder bezogen, die Interieurfarbe Basaltgrau macht sich zur dunklen, fast schwarz anmutenden Außenlackierung ganz gut, matte Holzleisten in hellem Kirschholz setzen farbige Akzente in dem ansonsten eher sachlich-funktional gestalteten Passagierraum.
Die straffen, gut konturierten Sitze vorne bieten guten Seitenhalt. Die Sitzflächen haben im Normalzustand wenig Beinauflagefläche, man kann sie jedoch nach vorne etwas ausziehen, dann ist es okay. Auch das Gestühl im Fond ist straff und zumindest für zwei Passagiere ausgeformt. Der mittlere Sitz ist zwar mit Kopfstütze und Drei-Punkt-Gurt ausgestattet, ist aber trotzdem eher eine Notlösung – oder halt Platz für die Mittelarmlehne, hinter der sich eine (optional erhältliche) Kühlbox befindet. Dafür bietet aber auch die zweite Reihe Knieraum satt.
Gute 500 Liter Gepäck fasst der Laderaum des 7ers, die Rückbanklehne lässt sich aber nicht zur Erweiterung des Laderaumvolumens umklappen, aber wer will das schon in der Oberklasse. Die Kühlbox ragt in den Gepäckraum hinein und nimmt damit gerade in der Mitte des Kofferraumes Laderaum weg. Die breiten Radkästen schränken die Ladebreite etwas ein, aber das Gepäckabteil ist so riesig, die Ladehöhe mit bis zu 70 cm – da passt schon immer noch einiges an Ladung rein, wenn man es geschickt verteilt. Bei einem Leergewicht von 1.935 kg (inkl. Fahrer) sind 505 kg Zuladung möglich. Der Kofferraumdeckel lässt sich elektronisch sowohl vom Innenraum als auch über die Fernbedienung öffnen – und über einen Schalter im Kofferraumdeckel sowie die Fernbedienung auch elektrisch wieder schließen.
Das Cockpit ist eher zurückhaltend mit Schaltern und Anzeigen ausgestattet. Neu ist das Bedienkonzept iDrive: Die Fahrfunktionen sind über das Multifunktions-Lenkrad zu steuern, die Komfortfunktionen mit dem Controller als Bedieninstrument auf der Mittelkonsole. Intuitiv sei die Menüführung, verspricht BMW. Nun gut, nach zwei Tagen hatte ich den Überblick und die Menüführung raus, dann war das einfach zu handhaben. Das dazugehörige Display ist darüber hinaus gut im Blickfeld des Fahrers angebracht. Besser, als die vielen Funktionen über tausend Schalter im Cockpit handhaben zu müssen. Das Konzept muss aber nicht jedermanns Sache sein. Wer sich nicht gerne auf Neues einlässt, hat bestimmt seine Probleme damit.
Ablagen für den nötigen und unnötigen Kleinkram gibt es reichlich: Ein Handschuhfach, das seinem Namen Ehre macht, Ablagefächer in den Türen (vorne sogar recht große), Fächer in den Armlehnen vorne und hinten, Taschen an den Rücksitzlehnen sowie ein Brillenfach in der Mittelsäule des Cockpits.
Neben den üblichen Annehmlichkeiten des Autofahrerlebens gehört natürlich auch die Klimaautomatik mit Umluftkontrolle zur Serienausstattung. Auf Wunsch bekommt man die Klimaautomatik mit erweitertem Umfang (temperierte Fondbelüftung) inklusive Solarsensor sowie eine Standheizung mit Standlüftung und Fernbedienung. Zusätzlichen Klimakomfort bietet die optional erhältliche infrarot-reflektierende Klimakomfort-Verglasung mit Grünkeil, Regensensor und automatischer Fahrlichtsteuerung.
Elektrisch einstellbare Frontsitze sind ab Werk vorhanden, optional verfügbar sind komplett elektrisch verstellbare Komfortsitze für vorne und hinten mit Sitzheizung und Sitzbelüftung sowie Aktivsitze vorne und eine Memoryfunktion für den Fahrersitz. Auf Wunsch verfügbar sind auch elektrische Sonnenschutzrollos für die Heckscheibe sowie die hinteren Seitenscheiben. Die Liste der verfügbaren Komfort-Features ist lang und luxuriös, wie sich das für eine Oberklasse-Limousine gehört …
Der 3,6-Liter-Achzylinder-Motor (die Bezeichnung 735i ist da etwas irreführend) wird über einen Start-Knopf angelassen. Sehr ruhig und vibrationsarm gehen die 272 Pferdchen unter der Motorhaube zu Werke. Dabei legen sie sich aber mächtig ins Zeug, denn nicht einmal die hervorragend übersetzte Automatik-Schaltung kann – oder soll? – ihr Temperament zügeln. Die Automatikschaltung lässt sich auch über Tasten am Lenkrad manuell schalten (Steptronic), aber das kann man sich getrost schenken. Bei einem kräftigen Tritt aufs Gaspedal wird der Motor auch akustisch präsent. Ab kurz über der Leerlaufdrehzahl ist Kraft satt vorhanden, die über die serienmäßige Sechsgang-Automatik auf die Hinterräder übertragen wird. Hier offenbaren sich den Insassen BMW-Qualitäten: Laufkultur und Durchzugsstärke, lässt doch die Leistungsentfaltung über das ganze Drehzahlband nichts zu wünschen übrig.
Beide Achtzylinder-Ottomotoren im neuen 7er arbeiten mit Valvetronic, der den Hub der Einlassventile vollvariabel steuert, und einer vollvariablen Sauganlage. Durch die Valvetronic entfällt die Drosselklappe, was sich in mehr Leistung bei niedrigerem Verbrauch bemerkbar macht. Tatsächlich konnte der Verbrauch des aktuellen 735i gegenüber dem vergleichbaren Vorgänger deutlich gesenkt werden: 15 Liter Super Plus auf 100 km braucht der neue 735i innerorts, 8,2 Liter außerorts und 10,7 Liter im gemischten Verbrauch nach EU-Norm. Der alte 735i schaffte hier nur 17,2 Liter innerorts, 9,1 Liter außerorts sowie 12,1 Liter im gemischten Verbrauch (alles Herstellerangaben). Von Null auf 100 km/h sprintet der fast 2 t schwere Wagen in 7,5 Sekunden, bei Tempo 250 ist dem Vortrieb elektronisch ein Limit gesetzt. Der Motor erfüllt die Abgasnorm EU4. Die Geschwindigkeitsregelung gehört zur Serienausstattung, was angesichts der Leichtigkeit, mit der der Wagen immer mehr in Fahrt kommt, sinnvoll ist. Einen Abstands-Tempomaten (aktive Geschwindigkeitsregelung) gibt es nur gegen Aufpreis.
Präzise und leichtgängig arbeitet die Lenkung. Zielgenau lässt sich die Fünf-Meter-Limousine um jede Biegung zirkeln, dass man kaum glaubt, in so einem großen Fahrzeug zu sitzen. Eine ausgefeilte Fahrwerksabstimmung sowie ein Leichtbau-Fahrwerk, das vollständig aus Aluminium gefertigt ist, machen sich hier positiv bemerkbar. Wie ein Kleinwagen lässt er sich dirigieren: agil, wendig und dynamisch nimmt er auch engere Kurven. Der Wendekreis ist dabei einem Fahrzeug mit fast 3 Metern Radstand angemessen. Bei sehr hoher Geschwindigkeit neigt er zu einem harmlosen Untersteuern. Plötzliche Spurwechsel absolviert er locker, flockig und leicht und macht auch beim Wiedereinscheren keine Probleme. Bei allem Komfort, den die Oberklasse von BMW zu bieten hat, kommen die Sicherheit und der Fahrspaß nie zu kurz.
Den Fahrer unterstützen im Notfall Fahrwerksregelsysteme wie ABS, das elektronische Stabilitätsprogramm DSC, die Antriebsschlupf-/Traktions-Regelung ASC+T und die Dynamische Traktionskontrolle DTC sowie die Dynamische Bremskontrolle DBC mit Kurvenbremskontrolle CBC. Die Einparkhilfe für vorne und hinten, ein nützliches Feature bei einem solch großen Fahrzeug, gibt es nur gegen Aufpreis.
Insgesamt ist das Fahrwerk sehr komfortabel ausgelegt. Als Sonderausstattung verfügt unser Test-7er über die Elektronische Dämpferkontrolle EDC zur Verbesserung der Schwingungseigenschaften bei jeglicher Beladung sowie Dynamic Drive zur Stabilisierung der Wankbewegungen.
Angemessen für hohen Federungskomfort sind auch die mächtigen Reifen auf den 17-Zoll-Leichtmetallrädern: Im Format 245/55 leisten sie ihren Beitrag. Die 17-Zöller bieten Platz für die mächtigen Bremsscheiben mit 324 mm Durchmesser, über die die Scheibenbremsen (rundum innenbelüftet) verfügen. Die Bremsen haben Sportwagenniveau: Sie sprechen gut an, verzögern das Fahrzeug sehr wirkungsvoll und bringen es im Notfall auf schnellstem Wege zum Stand. Statt eines Handbremshebels verfügt der 7er über eine elektromechanische Feststellbremse, die statt Hebel über eine Taste im Armaturenbrett aktiviert wird. Die Hillhold-Funktion erleichtert das Anfahren am Berg, da die Bremse durch Gasgeben wieder gelöst wird. Ein ungewolltes Zurückrollen wird verhindert.
Die hohe Karosseriefestigkeit, die steife Fahrgastzelle mit extrem belastbaren Trägerstrukturen mit optimiertem Seitenaufprallschutz bilden die Grundlage für den passiven Insassenschutz. Alle fünf Sitzplätze sind mit Kopfstützen und Drei-Punkt-Gurten ausgestattet. Vierzehn Sensoren ermitteln blitzschnell, welchen der acht Airbags (Frontairbags, vier Seitenairbags sowie Kopfairbag für vorne und hinten) nach einem Unfall aktiviert werden müssen und lösen diese innerhalb von 0,05 Sekunden aus.
Xenonlicht gehört zur Serienausstattung, Bi-Xenon-Licht für Abblend- und Fernlicht ist optional verfügbar. Ebenso als Sonderausstattung zu haben ist eine Reifendruckkontrolle (RDC), die es dem Fahrer erlaubt, Reifen mit Notlaufeigenschaften zu montieren.
Mit einem Basispreis von 65.100 Euro bildet der 735i den Einstieg in die Münchener Oberklasse. Die Getriebeautomatik ist Serienausstattung, die Metallic-Lackierung kostet extra. Serienmäßig fährt der „kleine“ 7er mit den üblichen Annehmlichkeiten des Autofahrerlebens inklusive Klimaautomatik, Heckklappe mit Soft-Close-Automatik sowie der Geschwindigkeitsregelung vor. Aufpreis kosten zum Beispiel die Ledersitze, das elektrische Glas-Hub-Schiebedach, das Hifi-System, Aktiv- und Komfortsitze, die Reifendruckkontrolle, die elektronische Dämpferkontrolle (EDC), Dynamic Drive, die Einparkhilfe und das Bi-Xenon-Licht.
Zwei Jahre Garantie auf den Wagen sowie alle beim BMW-Händler eingebauten Originalteile sowie sechs Jahre gegen Durchrostung gewährt BMW. Darüber hinaus gibt es die Mobilitätsgarantie mit der BMW-Service-Card beim Einhalten der Inspektionsintervalle. Die Wartungsintervalle errechnet der Condition Based Service (CBS) abhängig vom Nutzungszustand des Fahrzeugs, CBS-Sensoren überwachen wichtige Verschleißteile des Fahrzeugs wie Bremsbeläge oder Motorenöl. Die Versicherungen stufen den 735i in die Typklassen 23 / 28 / 38 (KH / VK / TK) ein.
© Oktober 2002 Petra Grünendahl, Fotos: grü / IN*TEAM
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