Testbericht.
Audi RS6 Avant
Für ganz eilige Vertreter!
Von Petra Grünendahl
Die Basis A6 Avant kann der Audi RS 6 Avant nicht verleugnen, die sieht man der Karosserie an, auch wenn dezente optische und aerodynamische Modifikationen darauf hindeuten, dass dieser Kombi ein bisschen „mehr“ kann. Frontschürze mit mächtigen Lufteinlässen, massivere Schweller, eine Heckschürze mit drei Gittereinlässen und je einem verchromten Auspuffendrohr links und rechts außen und etwas weiter ausgeschnittene Radkästen lassen ihn stämmiger und vielleicht sogar ein bisschen aggressiver wirken. Das „RS6“-Logo mit der roten Raute an Kühlergrill, Heckklappe und Einstiegsleisten verrät ihn schließlich aus der Nähe. Ob der RS6 Avant den Anspruch eines Sportwagens mit praktischen Vorzügen erfüllen kann, überprüften wir in einem Avussilber-farbenen Kombi in Perleffekt-Lackierung.
Sowohl vorne wie hinten haben Passagiere in dem 4,85 m langen, 1,85 m breiten Kombi reichlich Platz. Die Sitze sind angenehm komfortabel und nicht zu straff. Bezogen sind sie mit einer Kombination aus Perlnappaleder und Stoff. Carbon-Dekoreinlagen im Cockpit und den Türverkleidungen verstärken die technisch-funktionale Ausstrahlung der Instrumentierung. Die Übersicht lässt angesichts der langen Karosserie vorne und hinten etwas zu wünschen übrig. Allerdings verfügte unser Testwagen über eine optional erhältliche Einparkhilfe für vorne und hinten, die wertvolle Dienste leistet. Die Karosserie ist sehr gut gegen Windgeräusche von außen, aber auch gegen Motorengeräusche gedämmt.
Hochwertige Materialien, sauber verarbeitet und einfach zum Wohlfühlen ist der Innenraum im RS6 Avant. Das Cockpit ist eher funktional, aber dafür übersichtlich und problemlos handhabbar gestaltet. Ablageflächen und –fächer für die Frontpassagiere gibt es in großer Anzahl: vom Handschuhfach und diversen Fächern in der Mittelkonsole über Fächer in den Türen, in der Armlehne, seitlich und unterm Lenkrad bis hin zu Schubfächern unter den Vordersitzen. Hinten sind es naturgemäß etwas weniger: hier stehen nur kleine Fächer in den Türen zur Verfügung, in der Mittelarmlehne befindet sich der Erste-Hilfe-Kasten.
Der vollständig mit Teppich ausgekleidete Laderaum ist nahezu quadratisch geschnitten und gut nutzbar. Zur Rücksitzbank hin schränken die voluminösen Radkästen die Ladebreite allerdings ein wenig ein. Die Rücksitzlehne ist umklappbar und asymmetrisch geteilt. Gepäcktrennnetz und Laderaumabdeckung gehören zur Serienausstattung. Die Ladekante bietet mit 61 cm die richtige Höhe zum Einladen sperriger Gegenstände. Der Laderaum fasst zwischen 455 und 1.590 Litern, erlaubt ist eine maximale Zuladung von 465 kg (inkl. Passagiere). Einziges Manko: Die Ladeklappe öffnet sich nicht so richtig hoch, wer über 1,80 m groß ist, muss sich vorsehen.
Zur Serienausstattung gehören all die kleinen Annehmlichkeiten des Autofahrerlebens wie funkfernbediente Zentralverriegelung, elektrisch einstellbare, beheizbare und anklappbare Außenspiegel, automatisch abblendender Innenspiegel, elektrische Fensterheber vorne und hinten, Recaro-Sportsitze mit Sitzheizung vorne und hinten, elektrisch einstellbare Vordersitze mit elektrisch einstellbarere Lendenwirbelstütze, eine Zwei-Zonen-Komfortklimaautomatik, das Fahrerinformationssystem mit Bordcomputer und Check-Control, das Radiosystem Concert mit CD-Laufwerk, Gepäckraumabdeckung, Gepäckraumtrennnetz und Dachreling. Beide Sonnenblenden verfügen über beleuchtete Spiegel, das Bi-Xenonlicht über eine dynamische Leuchtweitenregulierung. Gegen Aufpreis gibt es Wärmedämmglas (bei Avant außer Heckscheibe und hintere Seitenverglasung), ein elektrisch einstellbares Multifunktionslenkrad mit Schaltfunktion (keine Schaltwippen) und einem Lenkradkranz in Wildleder, das Audiosystem Symphony mit Radio, CD-Wechsler und Cassettenspieler, das Navigationssystem, die Handyvorbereitung mit Freisprecheinrichtung, Fußmatten mit RS6-Schriftzug, gelochte Bremsscheiben und eine Sportauspuffanlage.
Der Biturbo-V8-Motor wurde von der quattro GmbH in Zusammenarbeit mit Audi auf Basis des 300 PS starken 4,2-Liter-Achtzylinders (im S6 leistet er 340 PS) entwickelt: Zwei Turbolader und doppelter Ladeluftkühler machen dem schon nicht schwächlichen Basismotor mit fünf Ventilen je Zylinder noch eine gehörige Portion mehr Dampf. In den acht Zylindern warten 450 temperamentvolle Warmblüter auf Auslauf, und im Extremfall machen sich 560 Nm Drehmoment über die Kurbelwelle her.
Im Stadtverkehr braucht man das Gaspedal nur zu streicheln. Wer aufs Gaspedal „tritt“ setzt die 450 Pferdchen in Bewegung. Dies tut man aber aus dem Stand oder niedriger Geschwindigkeit besser nicht mit einem Kickdown, denn das Fünfstufen-Automatikgetriebe mit Bi-Turboloch beschert dem Fahrer etwas mehr als eine Gedenksekunde, bevor der Wagen lossprintet. Gepflegt dosiert gibt der Motor einfach nur brachial seine Kraft über die Automatik an den Quattro-Antrieb ab, dem man mangelnde Traktion im Spurt nicht nachsagen kann.
Über die souveräne Kraftentfaltung hinaus ist der Motor ein Muster an Laufkultur: Ruhig und vibrationsarm ist er im Innenraum kaum zu spüren oder zu vernehmen. Satte 560 Nm liegen zwischen 1.950 und 5.600 Touren an, das reicht für mächtigen Durchzug und außerordentliche Leistungsentfaltung. In 4,7 Sekunden sprintet der RS6 Avant aus dem Stand auf Tempo 100, wenn man das Gaspedal gefühlvoll genug tritt. Bei einer Geschwindigkeit von 250 km/h wird der Motor elektronisch abgeregelt.
Wer sich den RS6 zulegt, sollte nicht aufs Geld gucken müssen. Der Wagen ist schlichtweg ein Säufer: Durch acht Töpfe fließt bei der Verbrennung naturgemäß sehr viel Kraftstoff. Im Stadtverkehr bringt es der Kombi auf 21,8 Liter Super Plus je 100 km bei ökonomischer Fahrweise, das ist aber auch nicht seine Welt. Da sind die 10,4 Liter außerorts bei ökonomischer Fahrweise ja fast schon human gegen. Im gemischten Verbrauch nach EU-Norm benötigt er 14,6 Liter – bei ökonomischer Fahrweise versteht sich (alles Herstellerangaben). Im Test lag er bei wenig ökonomischer Fahrweise im mehr oder weniger „gemischten“ Verbrauch immerhin noch bei knapp 15,5 Litern.
Serienmäßig verfügt der Supersportler der A6-Familie über quattro-Antrieb, um eine maximale Traktion zu gewährleisten und die Motorkraft möglichst optimal auf die Fahrbahn umzusetzen. Klasse ist der Geradeauslauf dank eines großzügigen Radstandes von 2,76 m. Die servounterstützte Zahnstangenlenkung ist sportlich-direkt ausgelegt, präzise und ausreichend leichtgängig bei jeder Geschwindigkeit und wäre für jede Menge Fahrspaß gut, wenn der Wagen nicht so groß wäre. Er liegt mit seinen fast zwei Tonnen Gewicht nicht so richtig leichtfüßig auf der Straße, das können andere besser. Aber der A6 ist auch von der Grundkonstruktion schon ein paar Jahre älter. Dafür liegt der RS6 Avant dank des DRC-Sportfahrwerks (Dynamic Ride Control) sicher und wie auf Schienen auf der Straße. Er gibt sich im Handling sehr sicher und überaus problemlos, ist bei plötzlichen Spurwechseln und in schnellen Kurven ohne jegliche Tücken, nicht einmal der Quattro-Antrieb macht sich hier destabilisierend bemerkbar, das serienmäßige ESP greift noch lange nicht ein. Die Fahrwerksabstimmung ist eine gelungene Mischung aus straff und komfortabel, wobei die Tendenz zwar ganz leicht in Richtung sportlich geht, aber kleine Unebenheiten souverän gemeistert werden. Insgesamt bieten Fahrwerk und Lenkung einen guten Fahrbahnkontakt.
Serienmäßig steht der RS6 Avant auf Leichtmetallrädern im 9-Speichen-Design. Auf den 18-Zöllern sind breite 255/40er Reifen aufgezogen, natürlich mit der Geschwindigkeitsfreigabe ZR (über 240 km/h), die bei den abgeregelten 250 km/h nötig sind. Auch sie tragen zur sportlich straffen Straßenlage ihren Teil bei.
Die Acht-Kolben-Hochleistungsbremsanlage mit großdimensionierten innenbelüfteten Scheibenbremsen und gelochten Bremsscheiben rundum verzögert sicher, schnell, spurtreu und auf kürzestem Weg! Die gelochten Bremsscheiben verbessern die Leistungsfähigkeit der Bremsen vor allem beim wiederholten Tritt aufs Bremspedal: Bei warmen Bremsen bildet sich ein Gas zwischen Bremssattel und Bremsscheibe (verantwortlich fürs Fading der Bremsen). Das kann durch die Löcher entweichen.
Vor den Folgen eines Unfalles schützen die Insassen Seitenaufprallschutz, Drei-Punkt-Gurte und Kopfstützen auf allen Sitzplätzen, Front- und Seitenairbags vorne sowie das Sideguard-Kopfairbag-System für Front- und Fondpassagiere sowie die Sicherheitslenksäule. Aktive Unterstützung erhält der Fahrer durch das Sportfahrwerk DRC (Dynamic Ride Control), eine Acht-Kolben-Hochleistungsbremsanlage und alle heutzutage in der gehobenen Automobilausstattung üblichen Fahrassistenzsysteme wie ABS mit elektronischer Bremskraftverteilung und Bremsassistent, Antriebsschlupfregelung, elektronische Differenzialsperre (EDS) und ESP.
Ab 87.500 Euro steht der Audi RS6 in der Preisliste, der RS6 Avant ab 89.600. Inklusive ist bei diesem exklusiven Preis schon die Perleffekt-Lackierung sowie all die kleinen Annehmlichkeiten des Autofahrerlebens. Die Aufpreisliste ist trotzdem lang: Wärmedämmglas, ein elektrisch einstellbares Multifunktionslenkrad mit Schaltfunktion und einem Lenkradkranz in Wildleder, das Audiosystem Symphony, Navigationssystem, Handyvorbereitung mit Freisprecheinrichtung, Fußmatten mit RS6-Schriftzug, gelochte Bremsscheiben und eine Sportauspuffanlage. In die Werkstatt zur Inspektion muss der RS6 nach Service-Intervall-Anzeige in Abhängigkeit von der Nutzung und dem Fahrstil des Fahrers, mindestens aber alle 30.000 km. Alle 60.000 km ist spätestens ein Ölwechsel fällig.
Audi gibt zwei Jahre Gewährleistung auf das Neufahrzeug und alle beim Audi-Partner eingebauten Original-Ersatzteile, drei Jahre auf den Lack und zwölf Jahre auf die Karosserie gegen Durchrostung. Einen fast europaweiten Mobil-Service (außer Osteuropa) gibt es bei Einhalten der Inspektionsintervalle lebenslang. Die Versicherungen stufen den Audi RS6 Avant in die Typklassen 23 / 39 / 40 (KH / VK / TK) ein.
© Juli 2003 Petra Grünendahl, Fotos: grü / IN*TEAM